• Foto: Patrick Sun

Nach Tod von Uderzo: Liebeserklärung an ein Nest voller Widerstandskämpfer

Gut so, der Junge soll lesen! Als ich meine ersten Asterix-Geschichten verschlungen habe, war ich acht oder neun. Und meine Eltern waren zufrieden: Kinder lesen halt gern bunte Bildergeschichten! Als ich mit 15 immer noch diese Figuren studierte, waren da erste Zweifel. Und als mit 30 plötzlich alle Asterix-Bände – in ziemlich hässliches Leder eingebunden – in meinem Bücherschrank auftauchten, gab es dann schon besorgte Fragen. Etwa die: Asterix – ist das nicht mehr was für Kinder?

Doch, auch! Diese Abenteuer eines pfiffigen kleinen Kriegers und seines Hinkelstein-schleppenden Freundes sind wirklich ganz wunderbar für Kinder: René Goscinny und Albert Uderzo lieferten derbe, lustige Geschichten, hatten die besten – und natürlich stets unblutigen – Prügeleien und die besten Witze. Dass da mehr ist, konnte man ahnen, musste es aber nicht gleich verstehen: Uderzos Wimmelbilder sind oft ausgemalt bis in die letzen Winkel – und da laufen noch ganz andere Dramen, da sind die Singvögel im Ehestreit und Eichhörnchen beim Exodus. Ich finde heute noch in alten Bänden Details, die mir neu sind. Die ganzen Promis, die als Karikatur auftauchten, die musste man als Kind nicht kennen, die entdeckte man später: Jacques Chirac und Sean Connery, Fellini und Don Quijote.

Nach dem Tod von Albert Uderzo: Liebeserklärung an Asterix und Co. 

Und dann sind da noch diese Studien in Volkswirtschaft, Soziologie und Geografie: All die Versuche der dekadenten Römer, diesen Haufen von Nervensägen an der bretonischen Küste auf Linie zu bringen – die Verlockungen des Profits („Obelix GmbH & Co. KG“) und des Luxus („Die Trabantenstadt“), schiere Niedertracht („Streit um Asterix“), Mauern und ihre Überwindung („Der große Graben“), all die vergifteten Geschenke und Lorbeeren des Cäsar und all die Expeditionen nach Amerika und in den Nahen Osten – das funktioniert auch allerbestens unter Akademikern. Immer vorausgesetzt, die konnten sich ein kindliches Gemüt bewahren.

An der Nase eines Mannes … Das wird hier jetzt keine sexistische Sottise, aber seien wir ehrlich: Es gibt Nasen, die finde ich unwiderstehlich. Umwerfend. Einfach sexy. Und immer ist dann da auch gleich der Gedanke an Kleopatra, Ägyptens stolze Herrscherin und an ihr Riechorgan. Dem verfällt nicht nur der allmächtige Cäsar, sondern eben auch unser ansonsten eher platonisch tickender Druide Miraculix – der kriegt jedes Mal weiche Knie, wenn die Angebetete im Prunkwagen vorbeirollt. Und wenn ich heute die Nase eines Zeitgenossen mehr oder weniger heimlich studiere, blitzt unweigerlich Miraculix’ Feststellung in meinem Hinterkopf auf: „Sie hat wohl einen schwierigen Charakter. Aber eine hübsche Nase. Eine sehr hübsche Nase.“ Bis heute. Geht nicht weg.

Obelix’ Absage an alle Weight Watchers liegt mir öfter auf der Zunge, als das meiner Eitelkeit schmeicheln sollte: „Ich bin nicht dick! Ich bin ein großer Krieger mit roten Zöpfen!“ Wenn mein Stamm-Grieche die Ouzo-Flasche zückt, klingt mir die Mahnung des Wirtes Panschnix an die Gattin im Ohr: „Aber nicht von dem Zeug für Gäste!“ Und das Kleine Latinum habe ich wirklich nur dem Mitleid einer Lehrerin zu verdanken – aber lateinische Sprüche klopfe ich wie wie ein Altsprachmeister: „Beati pauperes spiritu“ kommt mir angesichts jüngerer Umfragen oft in den Sinn. Muss ich jetzt nicht übersetzen, Sie haben sicher auch „Asterix in Spanien“ gelesen. Es sind solche Szenen, die sich ins Gedächtnis fräsen, die Asterix zu meinem treuen Alltagsbegleiter seit knapp einem halben Jahrhundert machen. Und sicherstellen, dass ich mir einmal im Jahr den Tag frei halte, an dem der neue Band erscheint.

Nach dem Tod von Goscinny gingen Uderzo die Ideen aus

Nach Goscinnys Tod gingen Uderzo irgendwann erst die kleinen Witze aus, dann auch die großen Ideen. Da kamen dann Hefte, die mich ratlos zurückließen („Gallien in Gefahr“). Bis der Zeichner ein Einsehen hatte und sein gewaltiges Erbe in jüngere Hände legte: Man könnte trefflich drüber streiten, ob Didier Conrad und Jean-Yves Ferri auf der Höhe der Evergreens sind, also von „Tour de France“, „Asterix bei den Olympischen Spielen“ oder „Asterix bei den Briten“. Doch diesen Streit mag ich gar nicht führen – weil die neuen Geschichten zumindest wieder den alten Kosmos zurückbringen und die alten Gefechtslinien. Weil ich die leidgeprüfte Power-Frau Gutemine nicht missen mag, weil ich der unvermeidlichen Randale zwischen Schmied und Fischhändler immer wieder neue Facetten entnehme. Und weil ich nicht nur den würdigen Majestix auf seinem Hindernislauf als Dorfbürgermeister verfolge, sondern auch seine beiden leider so unterschiedlich gewachsenen Schildträger.

Irgendwann kamen die Filme und dann kam der Amüsierpark – und ich muss gestehen, ich habe das alles an mir vorbeiziehen lassen. Weil mein Asterix auf präzisen 48 Seiten abläuft und sonst nirgends. Weil auf diesen 48 Seiten mit großer Zuverlässigkeit das Piratenschiff sinkt, ein Römerlager zu Sperrholz wird, Idefix einen Baum rettet, Obelix wieder ohne Zaubertrank auskommen muss und am Ende unser wohlbekanntes Dorf feiert.

Ich bin ein Freund von ein paar schrägen Widerstandskämpfern

Mein Obelix ist keine lebende Knutschzone, mein Methusalix kein Nippes fürs Regal. Kann man alles machen, brauche ich nicht. „Bist du Hamburgs größter Asterix-Fan?“, hat die Redaktion mich gefragt, als die Nachricht vom Tod Albert Uderzos kam. Bin ich ganz sicher nicht. Einfach nur alter Freund von ein paar schrägen Widerstandskämpfern. In die ich mich als Kind mal verliebt habe und die mir heute immer noch viel zu sagen haben. Sagen Sie es nicht meinen Eltern, aber grad neulich noch hatte ich wieder „Asterix und die Goten“ in der Hand.

Und mein Favorit? Der Barde! Eine besondere Verbundenheit habe ich immer mit Troubadix empfunden. Vielleicht, weil er bei seinen Studien in Disharmonie seiner Zeit sehr weit voraus war und seine musikalischen Träume niemals Mehrheitsmeinung wurden. Vielleicht aber auch einfach nur, weil die Partys meiner Jugend für mich meist ähnlich endeten: geknebelt an einem Baum am Bildrand.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp