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  • Lizzi Christensen (68), Renate Groth (82) und Claudia Kopriwa (59): Drei Frauen die auch im Alter noch selbstbestimmt mitten im Leben stehen.
  • Foto: Florian Quandt

„Gemeinsam statt einsam!“: Die „Martinis“ sind die größte Alten-WG in Hamburg

Eppendorf –

Das wichtigste Mittel gegen Einsamkeit im Alter: Selbst etwas tun, sich nicht auf andere verlassen! 24 Senioren haben nicht gewartet bis ihnen jemand hilft, sie nehmen ihr Leben selbst in die Hand. Ein Verein aus Hamburg hat ein neues Projekt an den Start gebracht: „Gemeinsam statt einsam!“ Mitten in Eppendorf leben die über 60-Jährigen zusammen in der größten Alten-WG Hamburgs – die Martinis. Die MOPO hat sie besucht.

Das Telefon klingelt, am anderen Ende spricht die Enkelin: „Ich hab‘ kurz Zeit, bin auf dem Weg zur Bahn.“ Zehn Minuten abgeknapste Zeit auf der einen, selige Momente der Aufmerksamkeit auf der anderen Seite der Leitung. Persönliche Gespräche und Kontakte werden seltener. Früher ging man mit etwas Zeit in der Tasche zu den Großeltern, jetzt muss ein Anruf reichen.

Untätig auf die Anrufe der Familie warten? Das kennen die drei Frauen der Martini-Gemeinschaft nicht – denn langweilig wird es bei ihnen nie. An einem gedeckten Kaffeetisch im Gemeinschaftsraum erwarten uns die Bewohnerinnen mit einem Lächeln. Seit fast einem Jahr wohnen sie in den neuen Räumen in der Martinistraße, jeder Mitbewohner hat sein eigenes Reich – entschieden wird aber alles gemeinsam.   

Hamburg Eppendorf: Es gibt immer etwas zu tun in der Martinis Gemeinschaft

„Unsere Entscheidungsprozesse sind sehr demokratisch, es wird viel diskutiert, das ist das, was ich hieran so reizvoll finde“, sagt Claudia Kopriwa. Innerhalb der Gemeinschaft haben sich Arbeitsgruppen gebildet: Die Fliesen- oder Internetseiten-Gruppe. „Ziemlich viel zu tun“, sagt Kopriwa, als Vorstandsmitglied durfte die ehemalige Journalistin bereits vor ihrem sechzigsten Geburtstag einziehen.

Die neuen Singlewohnungen befinden sich hinter der alten Fassade des ehemaligen Bethanien-Krankenhauses. Auf dem Gelände dahinter sind 50 neue Genossenschaftswohnungen des Bauvereins der Elbgemeinden (BVE) entstanden. Im Neubau, direkt hinter der alten Fassade, ist jetzt ein neues Zentrum für Soziales, Kultur und Wohnen. Mittendrin, im Haus Nummer 44: Der Martinis e.V. – eine Gemeinschaft aus 24 Personen über 60 Jahre in 24 Singlewohnungen.

Lange Zeit wurde die denkmalgeschützte Fassade von Gerüsten gehalten, jetzt ist wieder Leben in den Fenstern.

Lange Zeit wurde die denkmalgeschützte Fassade von Gerüsten gehalten, jetzt ist wieder Leben in den Fenstern.

Foto:

Florian Quandt

Martinistraße in Hamburg: Vergangenheit trifft auf Zukunft

Nicht nur in der alten Fassade steckt viel Geschichte, die Martinistraße spielte schon früher eine wichtige Rolle im Leben der jetzigen Bewohner. „Ich habe meinen Sohn in diesem Krankenhaus damals geboren“, sagt Lizzi Christensen, die noch immer ein paar Stunden im Monat als Pädagogin in Kitas arbeitet. Und Renate Groth, ehemalige Sozialarbeiterin, wohnte hier sogar schon einmal: „Als ich nach Hamburg kam, habe ich zuerst in der Martinistraße gewohnt, warum sollte ich dann nicht zuletzt auch hier wohnen?“

Es geht um die Gemeinschaft, das Zusammensein: „Wir wollen einfach alle so lange wie möglich selbstbestimmt leben“, sagt Claudia Kopriwa, das sei immer wieder Thema in der Gruppe gewesen. Es ist schon etwas anderes, „wenn einer krank ist und dann jemand mit einer Suppe vor der Tür steht“, sagt Lizzi Christensen. Für sie war es wichtig, nicht erst im letzten Moment in ein Altersheim zu kommen, sondern selbst zu bestimmen und das Leben zu genießen.

In der Martinis Gemeinschaft leben mehr Frauen als Männer

Das Geschlechterverhältnis ist eindeutig unausgewogen: Zwischen 20 Frauen wohnen vier Männer. „Die Männer sind nicht so offen, glaube ich, für solche neueren Projekte“, sagt Lizzi Christensen. Sie hätten viel gesucht und sich ein ausgeglichenes Verhältnis gewünscht. „Das heißt aber nicht, dass manche Frauen hier keinen Freund oder Mann haben! Nee, der wohnt nur nicht hier“, sagt sie. Pro Wohnung eine Person, deswegen: „Ich wohne hier mit meinem Lebensgefährten, der hat seine eigene Wohnung“, sagt Claudia Kopriwa.

Alle drei strahlen eine ansteckende Lebensfreude aus. Schon bevor sie ihre neuen Wohnungen in der Gemeinschaft bezogen, hatten alle ein festes soziales Netzwerk. Neue Freunde brauchten sie nicht, eine Gemeinschaft, in der alle ein Auge aufeinander haben, war aber genau die richtige Entscheidung.

Der Alltag in der Alten-WG

Drei Frauen die mitten im Leben stehen: Theater, politische Diskussionen, Fernsehabende oder eine Runde Doppelkopf – mittendrin statt nur daneben. Fazit: Die Martinis Gemeinschaft schafft ein Umfeld, das aktiv alle aus den Sesseln holt und der Beweis dafür ist, dass älter werden nicht bedeutet, alt zu sein.

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