Lieblingsgericht der Mafia: Warum die Gangster gerne Nagetiere essen
Viel ist an ihnen nicht dran – selbst wenn sie sich ordentlich Winterspeck angefressen haben. Und dennoch gelten gegrillte oder gekochte Siebenschläfer in Süditalien als unverzichtbar beim Edel-Dinner – zumindest in Mafia-Kreisen. Was finden die Gangsterbosse an dem kleinen Nager so gut?
Erst kürzlich gelang der Polizei nahe Reggio Calabria am südwestlichsten Ende Kalabriens ein Mega-Fund: Im Örtchen Delianuova fand eine Razzia gegen die ‘Ndrangheta statt. Eigentlich waren die Ermittler auf der Suche nach Drogen. Die fanden sie dann auch – in Gestalt von 730 Marihuana-Pflanzen, wie die Carabinieri später berichteten. Aber noch etwas wurde entdeckt: 235 tote und tiefgefrorene Siebenschläfer, vakuumiert und aufgeteilt auf rund 50 Transport-Packungen.
Viel ist an ihnen nicht dran – selbst wenn sie sich ordentlich Winterspeck angefressen haben. Und dennoch gelten gegrillte oder gekochte Siebenschläfer in Süditalien als unverzichtbar beim Edel-Dinner – zumindest in Mafia-Kreisen. Was finden die Gangsterbosse an dem kleinen Nager so gut?
Sie sind klein, flauschig und sehen aus wie eine Mischung aus Eichhörnchen und Maus: Siebenschläfer sind zwar hierzulande, wie auch andernorts in Mittel- und Südeuropa, beheimatet – zu Gesicht kriegt man sie allerdings eher selten. Denn die Nagetiere sind nachtaktiv. Und sie verbringen die Hälfte des Jahres im Winterschlaf, daher auch der Name.
Normalerweise fristen sie also ein relativ unspektakuläres Dasein – nicht allerdings im Süden Italiens. Dort müssen sie im Spätherbst buchstäblich um ihr Leben fürchten: Siebenschläfer, auf Italienisch ghiri genannt, gelten in Mafia-Kreisen als Delikatesse.
Kurz vor dem Winterschlaf sind die Siebenschläfer schön fett
Kurz bevor die kleinen Tiere sich im November in der Erde vergraben, sind sie richtig schön fett – schließlich muss der angefutterte Speck den ganzen Winter über reichen. Deshalb ist dann die beste Zeit für die Siebenschläfer-Jäger. Tatsächlich stehen die Tiere in Italien unter besonderem Schutz und dürfen eigentlich nicht verfolgt und getötet werden. Doch das kümmert die ‘Ndrangheta, die berüchtigte Mafia aus Kalabrien an der Spitze des italienischen Stiefels, wenig.
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Treffen einflussreiche Clan-Mitglieder aufeinander, wird im Rahmen eines längeren Dinners oft ein gegrillter oder in Soße gekochter Siebenschläfer gereicht. „Als Zwischengang, ist ja nicht viel dran“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung (SZ)“.
Das Geschäft mit den Siebenschläfern ist kein schlechtes
Erst kürzlich gelang der Polizei nahe Reggio Calabria am südwestlichsten Ende Kalabriens ein Mega-Fund: Im Örtchen Delianuova fand eine Razzia gegen die ‘Ndrangheta statt. Eigentlich waren die Ermittler auf der Suche nach Drogen. Die fanden sie dann auch – in Gestalt von 730 Marihuana-Pflanzen, wie die Carabinieri später berichteten. Aber noch etwas wurde entdeckt: 235 tote und tiefgefrorene Siebenschläfer, vakuumiert und aufgeteilt auf rund 50 Transport-Packungen – bereit, den für die Mafiosi zubereitet und serviert zu werden.
Auch im rund 50 Kilometer Luftlinie entfernten Dorf Bianco wurden vergangene Woche Siebenschläfer entdeckt: rund 20 Tiere, eingesperrt in Käfigen, fett gemästet. Die Polizei fand sie bei einer Waffen-Razzia bei einem mutmaßlichen ‘Ndrangheta-Mitglied.
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Das Geschäft mit den Nagern scheint kein schlechtes zu sein – wenn man es großflächig betreibt. Wie die Zeitung „Gazzetta del Sud“ berichtet, kriegt man für einen Siebenschläfer im Direktverkauf um die fünf Euro. Die Tierschutzorganisation Lav schätzt, dass allein in der Gemeinde Guardavalle – rund 4500 Einwohner, mitten im ‘Ndrangheta-Land – jedes Jahr 20.000 Tiere gefangen werden.
Darum sind die Nagetiere beim Mafia-Dinner so beliebt
Kurios dabei ist: Die Tiere werden nicht etwa gereicht, weil sie besonders schmackhaft wären. Die Zeitung „La Repubblica“ schreibt, der Nagetier-Genuss sei eine „archaische Tradition“. In der Tat aßen schon die alten Römer gerne Siebenschläfer. Sie wurden damals zuerst in Käfigen gezüchtet und später in Terrakotta-Töpfen gemästet, bis sie fett genug waren. Die Töpfe wurden manchmal sogar mit in den Krieg genommen – als Verpflegung.
Freilich war damals das Nahrungsangebot noch nicht so abwechslungsreich wie heute – warum halten die Mafia-Bosse also am Verzehr der Siebenschläfer fest? Warum ausgerechnet dieses Tier? Die „SZ“ erklärt die Wahl des Nagers so: „Der Schwanz des „ghiro“ (…) ist fast so lang wie der Rest des Tieres. Er unterscheidet ihn von der Ratte, und das ist offenbar entscheidend.“ Soll heißen: Am Tisch sitzen keine Verräter.
Fast nichts ist in italienischen Mafia-Kreisen so wichtig wie Loyalität. Allein der bloße Verdacht, ein Verräter zu sein, kann einen wortwörtlich ins Grab bringen.
In diesem Sinne gilt wohl auch das gemeinsame Verspeisen eines zweifelhaften Snacks als gegenseitiger Loyalitätsbeweis. Wer gemeinsam einen Siebenschläfer verzehrt, schreibt die „Gazzetta“, bindet sich damit an andere in einem Pakt, „dem schwer zu entkommen ist.“ Oder, wie „La Repubblica“ es formuliert: „Zu gewissen ,Köstlichkeiten’ kann man nicht nein sagen.“